Wenn Zukunftsorte
erzählen…

Oktober 2013, Marlis Stubenvoll

AO& wird als Künstlerkollektiv bezeichnet, aber das ist nur die halbe Wahrheit -  es gibt keine Schublade für die Aktionen von Thomas Wisser, Philipp Riccabona und Philipp Furtenbach. Gemeinsam verarbeiteten sie 1,2 Tonnen Zuckerrüben in Handarbeit oder gruben ebenso händisch ein 160-Kubikmeter-Loch im Walsertal aus. Sie formen ihre Umwelt, kurzfristig und langfristig und ändern durch außergewöhnliche Situationen die Kommunikation zwischen Menschen -  national und international, in fast unberührten Naturräumen und in der Großstadt.

Drei Projekte verbinden AO& mit dem Walsertal in Vorarlberg. 2008 lud Festivalleiter Dietmar Nigsch  AO& zu einem mehrtägigen Kochprojekt beim Walserherbst. Resultat war ein zweimonatiger Aufenthalt der Gruppe mit dem einmonatigen Veranstaltungsreigen "Leben und Sterben in den Bergen". Mithilfe von Essen schufen sie einen temporären Aufenthalts- und Austauschraum auf 1100 Höhenmetern. Im Vorfeld grub das Künstlerkollektiv dort in Handarbeit ein Loch in den Boden - Philipp Furtenbach beschreibt, dass diese anstrengende  Aktion auf den ersten Blick unsinnig wirkt, aber den Einheimischen Respekt für die Mühe und den Fleiß abverlangte - zwei Werte, die im Walsertal ins Schwarze treffen. "Durch die harte körperliche Arbeit  begegneten wir den Menschen dort auf Augenhöhe", sagt Furtenbach.

2010 war es wieder physische Anstrengung, die den Kontakt zu den Walsern herstellte. Mit schweren Handkarren zogen AO& durchs Land und überredeten Einfamilienhaus-Besitzer noch am selben Tag ihre Türen für ein Nachbarschaftsfest zu öffnen. "20 bis 35 Nachbarn und Passanten kamen zusammen, die sich sonst nur vom Auto aus grüßen, und führten stundenlange Gespräche", erzählt Furtenbach.

Naherholung statt Verbauung

Auf diesen Begegnungen baute das nächste Projekt für den Walser Herbst 2012 auf. Ausgangspunkt war der Tourismus, der in der Region nie wirklich Fuß fasste. Zwölf Jahre Biosphärenpark verschafften dem Walsertal nur anfangs eine gemeinsame regionale Identität, die sich sonst auf Käse und Berge beruft. Um den sechs separaten Kleingemeinden des Walsertals ein Einheitsgefühl zu geben, lassen AO& mit dem Verein "Wassertal" die traditionelle Badekultur aufleben. Mit ihrem Konzept des Walsertals als naturnahes Naherholungsgebiet setzten sie einen Gegenpol zu der Verbauung des Landes durch einen Teppich an Einfamilienhäusern.

Der Lutzschwefelbrunnen markierte den Anfang des Vereins: Mitte der 60er-Jahre stolperte ein Geologiestudent aus Marburg über eine der schwefelhaltigsten Quellen Österreichs. Die stiefmütterlich behandelte Schwefelquelle fasste das Künstlerkollektiv gemeinsam mit dem Jungarchitekten Martin Mackowitz zum Bad mitten in der rauen Umgebung des Lutzbachs. Regionale Besucher nutzen an sechs Tagen im Monat die heilsame Wirkung der Quelle und des zusätzlichen Warmwasserbeckens. Das Schwefelbad lebt von Engagement der BürgerInnen, die als BaderInnen die Vorbereitungen und den Ablauf der Prozedur leiten. Der Lutzschwefelbrunnen ist gleichzeitig ein Angebot zum Austausch verschiedenster Menschen, die zum Baden zusammenkommen.

Demnächst verändern AO& mit dem Hotel Konkurrenz auch in Bad Kleinkirchheim ihre Umgebung, um soziale Prozesse in Gang zu setzen. Für das nock/art Festival bauen sie temporär ein 100-Betten-Hotel um. Für fünf Wochen tauscht nicht nur die Hälfte der Belegschaft die Plätze, auch die Bad Kleinkirchheimer nutzen die Betten für ein Wochenende gratis, was unerwartete Begegnungen fördern soll.

Experten-Links
AO&, www.aound.net
Walserherbst, Dietmar Nigsch, www.walserherbst.at
Jungarchitekt, Martin Mackowitz, www.martinmackowitz.at
PR: die jungs kommunikation, www.diejungs.at
nock/art Festival, www.nockart.at

 

« Der Dorfbod'n in Weibern: Bretter, die das Dorf bedeutennock/art – Bad Kleinkirchheim erhebt Wandern zur Kunst »